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Die Verkehrswende beginnt – immer noch – in den Außenbezirken

Zweiter Teil der Veranstaltungsreihe zum Berliner Mobilitätsgesetz im Bürgerbüro von Sven Meyer (MdA) mit Horst Mentz und Korinna Stephan am 23.11.2022

Das Thema Verkehr brennt den Menschen in Reinickendorf unter den Nägeln. Denn die Situation hier ist ganz anders als in der Innenstadt, und das müssen wir hier gestalten. Gastgeber Sven Meyer, Abgeordneter für Wittenau, Waidmannslust, Borsigwalde und Tegel, bringt das Ziel der Veranstaltung auf den Punkt. Horst Mentz, stellvertretender Vorsitzender des Fachausschuss Mobilität der Berliner SPD, beschreibt noch einmal die Ausgangslage: Berlin wächst, und auch die Zahl der zugelassenen PKW hat mit 1,24 Millionen eine neue Rekordmarke erreicht. Rund 300.000 Menschen pendeln täglich zur Arbeit nach Berlin. In den nächsten Jahren wird diese Zahl weiter steigen – gerade in den Außenbezirken ist der Pendlerverkehr eine große Herausforderung. Als erstes Bundesland hat Berlin ein Mobilitätsgesetz beschlossen, das laufend ergänzt und in Verkehrsplänen konkretisiert wird. Ziel ist die Stärkung des Umweltverbundes (Fuß-, Rad- und öffentlicher Nahverkehr) und die Zurückdrängung des motorisierten Individualverkehrs. Veröffentliche Raum soll neu aufgeteilt werden.

Als zweite Gesprächspartnerin wird Korinna Stephan, Stadträtin für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr (für Bü90/Grüne), herzlich begrüßt. Beruflich kommt sie aus dem Bereich Verkehrsplanung und innovative Mobilität. Als Mobilitätsmanagerin im Bezirksamt Pankow ging es ihr darum, Verkehrsplanung aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger zu gestalten. Als Stadträtin (nicht nur) für Verkehr sind ihre Schwerpunkte der Fußverkehr und der Radverkehr. Wobei der Ausbau des Radwege-Netzes sich in Kooperation mit der Senatsverwaltung zunächst auf das Vorrangnetz konzentriert. Für eigene Vorhaben bleibt dem Bezirk kein Spielraum. Der Fußverkehr ist in Reinickendorf mit seinen sehr unterschiedlichen Stadtteilen ein kleinteiliges Thema, das ein hohes Maß an Bürgerbeteiligung verlangt, z.B. in Form eines Mobilitätsrats. Korinna Stephan sieht einen ihrer Schwerpunkte in der Barrierefreiheit: Bordsteinabsenkungen, Rollstuhl- und Rollator-gerechte Querungen von gepflasterten Straßen und Plätzen sowie niveaugleiche Bushaltestellen sollen flächendeckend eingerichtet werden. Wobei das Bezirksamt keine Zuständigkeit für den öffentlichen Nahverkehr hat, sondern immer wieder mit der BVG verhandeln muss. Zwar konnte die Stadträtin neues Personal für ihre Abteilung einstellen, aber das Bezirksamt ist in erster Linie ein Teil der Verwaltung. Das Tagesgeschäft überwiegt, zum Beispiel der Straßenunterhalt oder die Pflege von Grünanlagen; für die produktive Umsetzung der Verkehrswende bliebt wenig Raum.

In der Diskussion werden immer wieder einzelne Straßen im Bezirk benannt, die – wie zum Beispiel der Waidmannsluster Damm – einfach zu schmal angelegt sind: Fehlende oder enge und eigentlich unbrauchbare Radwege, Parken auf dem Bürgersteig sind die Folge. Korinna Stephan ist sicher: Um hier zu Lösungen zu kommen, muss das ganze Quartier betrachtet werden: Nicht jeder Verkehr gehört auf jede Straße. Für die Heinsestraße in Hermsdorf ist eine solche Studie gerade beauftragt worden. Dabei soll gelten: Der fließende Verkehr – und dazu zählt auch der Fuß-Verkehr – hat Vorrang vor dem Parken. Die Tendenz geht gegen das Parken auf dem Bürgersteig. In der Burgfrauenstraße ist das umgesetzt worden, die Reaktion bei den Anwohnern war gemischt. Die aktuelle Priorisierung solcher Maßnahmen hängt von der Finanzierung ab: Der Waidmannsluster Damm gehört nicht zum Radwege-Vorrangnetz. Klar ist aber, dass dort – und an vielen anderen Orten im Bezirk – die Vorgaben des Mobilitätsgesetzes nicht eingehalten werden können. Intensive Diskussionen mit der Senatsverwaltung sind zu erwarten.

Neben einem besseren Parkraum-Management werden auch andere generelle Maßnahmen diskutiert, um mit der Verkehrswende in Reinickendorf voranzukommen. Wobei klar ist, dass der Platz nicht überall für alle Verkehrsarten reicht und Kompromisse erforderlich sind. Klar ist aber auch, dass der Autoverkehr zu viel Platz beansprucht. Insbesondere der ruhende Verkehr muss durch ein intensiveres Parkraum-Management zurückgedrängt werden. Der öffentliche Raum ist kostbar, die Nutzung muss kostenpflichtig sein, sagt Korinna Stephan dazu. Kiezblocks o.ä. können sinnvoll sein, brauchen aber eine gerichtsfeste Begründung entweder durch ein städtebauliches Konzept, oder durch eine nachweisbare Gefahrenlage. Horst Mentz verweist auf die Möglichkeit, die Regelgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft herabzusetzen – ein Vorschlag, der große Zustimmung findet.

Thomas Koch

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